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Dubai vorbei. Nun zählen Taten

20.12.2023

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Liebe alle

Ein Satz hallt auch eine Woche nach dem Ende der Weltklima­konferenz COP28 in Dubai nach.

«Alle Länder sind dazu aufgerufen, ihren Teil beizutragen (…) zur Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energie­systemen, auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise (…), um im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen bis 2050 netto null zu erreichen.»

Dieser Satz aus dem finalen Beschluss­dokument, auf das sich alle 198 teilnehmenden Staaten geeinigt haben, funktioniert wie ein Rorschachtest. Man kann darin sehen, was man sehen möchte.

Einerseits: Ja, es ist historisch, dass erstmals die Abkehr von fossilen Brenn­stoffen als entscheidende Massnahme zur Bewältigung der Klimakrise explizit benannt wird.

Andererseits:

  • No shit, Sherlock! Die Verbrennung fossiler Energie­träger verursacht mit Abstand den grössten Teil der weltweiten Treibhausgas­emissionen. Mit dem Klima­abkommen von Paris wurde im Jahr 2015 beschlossen, dass diese Emissionen auf netto null sinken müssen. Wenn man 1 und 1 zusammen­zählt, war damit eigentlich das Ende der fossilen Energie­träger bereits beschlossen.

  • Mit «sind aufgerufen» hat es lediglich eine sehr schwache, unverbindliche Formulierung durch die Mühlen der Konsens­findung geschafft.

  • Es fehlen Etappen­ziele, wie diese Abkehr von fossilen Brenn­stoffen vollzogen werden soll. Jedes Land bestimmt also seinen eigenen Fahrplan zu netto null im Jahr 2050. Eine «Verdreifachung der Kapazität erneuerbarer Energien» noch in diesem Jahrzehnt, die ebenfalls als Ziel im Beschluss festgehalten wird, hilft nur, wenn gleichzeitig substanziell weniger Fossile verbrannt werden.

Zur Erinnerung: Im Moment deutet wenig darauf hin, dass die Förderung fossiler Brennstoffe bis 2050 deutlich zurück­gehen wird. Diese Grafik aus unserer Übersicht «Zur Lage des Planeten» zeigt die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich auf.

Quelle: «The Production Gap Report 2023», Stockholm Environment Institute, Climate Analytics, E3G, International Institute for Sustainable Development and United Nations Environment Programme.

Und dennoch: Der Autor und Klima­aktivist Bill McKibben sieht in der expliziten Nennung fossiler Brennstoffe ein wirkungsvolles Werkzeug – für Aktivistinnen und alle, die sich für den Ausstieg einsetzen. Alle Länder haben sich zum Ausstieg bekannt – das werde man ihnen nun immer und immer wieder vorhalten können, es werde jede öffentliche Debatte prägen. Ähnlich wie das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klima­abkommens.

Auch Klima­wissenschaftler Stefan Rahmstorf, wirklich nicht bekannt dafür, Dinge schön­zureden, kann der COP28-Einigung Positives abgewinnen: «Es ist nicht schlecht, dass nun jedes Land anerkennt, dass eine deutliche, rasche und nachhaltige Reduktion der Treibhausgas­emissionen notwendig ist», schreibt er. «Nun zählen Taten.»

Jedes Land muss also handeln. In der Schweiz wird an Stamm­tischen, aber auch in politischen Debatten gerne ein Argument bemüht: Die Emissionen unseres Landes seien weltweit so vernachlässigbar, dass es keinen Unterschied mache, was wir tun. In ihrem Gastbeitrag für die Republik liefert Daten­wissenschaftlerin Hannah Ritchie fünf gute Konter gegen dieses Totschlag­argument.

Jetzt lesen

Kurz und bemerkenswert

Apropos Schweiz: Sie verabschiedet sich aus der Koalition von Ländern, die sich verpflichtet haben, an den Uno-Verhandlungen fortschrittliche Vorschläge zum Klimaschutz voranzutreiben. Seit der Klima­konferenz 2015 in Paris war die Schweiz Mitglied dieser Koalition.


Haben Sie 2024 schon etwas vor?

Wir probieren im neuen Jahr etwas Neues aus und würden das gerne mit Ihnen zusammen tun.

Wir stellen renommierte Wissenschaftlerinnen vor die Herausforderung, Komplexes einfach zu erklären. Haben Sie Lust, Friederike Otto oder Stefan Rahmstorf gegenüber­zusitzen und Fragen zu stellen? Für zwei Videodrehs suchen wir:

  • Schülerinnen und Schüler, 15 bis 16 Jahre alt;

  • Studentinnen und Studenten in einem natur­wissenschaftlichen Master­studiengang, zum Beispiel Physik, Umwelt oder Geografie.

Schau­spielerische Erfahrung oder spezielles Vorwissen sind nicht nötig – nur Neugier sollten Sie mitbringen!

Die kurzen virtuellen Gespräche (auf Hochdeutsch) mit den Wissen­schaftlern werden wir im Februar in den Räumen der Republik in Zürich filmen. Sie müssten sich rund 90 Minuten Zeit nehmen, die Anreise­kosten übernehmen wir.

Interessiert? Melden Sie sich bis zum 8. Januar bei uns über dieses Formular.
Oder kennen Sie jemanden, der infrage käme? Leiten Sie das Formular gerne weiter.

Drei Fragen an …

Judith Wemmer ist Lebensmittel­wissenschaftlerin. Sie hat die Zürcher Firma Planted mitgegründet, die Fleisch überflüssig machen will.

1. Was bereitet Ihnen zurzeit am meisten Sorge?
Die aktuelle politische Unsicherheit in Bezug auf die Bekämpfung des Klima­wandels. Es scheint, als ob der notwendige politische Rückhalt fehlt.

2. Was stimmt Sie zurzeit optimistisch?
Was mich optimistisch stimmt, ist die wachsende Aufmerksamkeit für nachhaltige Ernährung. Auch sehe ich, dass die Jugend sich für Umwelt­themen interessiert und engagiert. Ihr Aktivismus gibt mir Hoffnung, dass sich echter Wandel durchsetzen wird – nicht nur in der Diskussion, sondern auch in konkreten Handlungen.

3. Wer inspiriert Sie?
Mich inspirieren Menschen, die mit Leidenschaft und Entschlossenheit für eine nachhaltige Zukunft arbeiten. Sei es als Umwelt­schützer, Wissen­schaftlerin, Unternehmer oder Aktivistin. Ihre Hingabe und ihre Taten ermutigen mich, weiterhin an innovativen Lösungen zu arbeiten und einen positiven Beitrag zur Welt zu leisten.

Judith Wemmer empfiehlt

Bill Gates: «Wie wir die Klimakatastrophe verhindern». Piper, München 2022. 320 Seiten, ca. 20 Franken.

Dieses Buch legt einen klaren und realistischen Plan zur Bewältigung des Klima­wandels dar. Gates bringt komplexe Themen verständlich näher und zeigt, wie individuelle Handlungen und politische Massnahmen zusammen­wirken können, um eine globale Katastrophe zu verhindern.


Wir wünschen Ihnen ein frohes Fest und ein entspanntes Jahresende.

Auch wir atmen nun einen Moment durch. Wir freuen uns darauf, im neuen Jahr zusammen mit Ihnen weiter nach Antworten zu suchen auf die Frage aller Fragen: Wie kommen wir aus dieser Krise wieder raus?

Liebe Grüsse
David Bauer, Elia Blülle, Marcel Hänggi, Sabrina Weiss

PS: Sie brauchen noch ein Last-minute-Weihnachts­geschenk, das nicht wie ein solches daher­kommt? Wir helfen gerne.

PPS: Letzte Erinnerung: Melden Sie sich an für unsere nächste Veranstaltung, virtuell von überallher zugänglich. Hoffnung in der Klimakrise. Ein Abend mit Rebecca Solnit.


Die Klimakrise ist hier. Die Lage ist ernst. Challenge accepted.
Ein frischer Blick auf die grossen Herausforderungen und auf Menschen, die sie anpacken. Und jede Menge Gelegenheiten, sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu inspirieren.

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